Annette Bernjus fragt zu diesen Bildern, warum denn der Baum, eine Erle, schon so viele Jahre so aussieht, wie hier zu sehen:
Dieser Baum ist wahrscheinlich schon deutlich älter, als man von seiner Größe her vermuten könnte. Er hat es nie wirklich leicht gehabt. Er stand schon als sehr kleiner Baum im Schatten seiner Brüder und Schwestern.
Im linken Stämmling erkenne ich auf dem Bild eine Höhlung, welche die Hälfte des Stämmlings ausmacht. Eine im Verhältnis zum Stammdurchmesser gigantische Wunde. Auch dies ist ein Merkmal, dass dieser Baum immer zu kämpfen hatte.
An beiden Stämmlingen sind die Wulste und Knubbel zu erkennen.
Annette B. fragt, ob diese Angstriebe sein könnten.
Hier kann man schon deutlicher erkennen, dass die Struktur dieser Knubbel rau, ungleichmäßig und spröde ist.
Etwas näher dran sind auch die winzigen Nottriebe zu erkennen, die aus den Wulsten herauswachsen.
Diese Nottriebe sind klare Anzeiger dafür, dass der Baum ständig zu wenig Blattmasse in der Krone hatte, um ausreichend Photosynthese betreiben zu können. Bei der Photosynthese wird das aus den Blättern austretende Wasser mit Hilfe des Sonnenlichtes und Kohlendioxid in Eiweiße, Fette und Zuckerstoffe umgebaut. Diese Stoffe benötigt der Baum um sich selbst zu versorgen, um Holzmasse anzubauen, also um zu wachsen und um Vorräte einzulagern.
Um das ein wenig zu verdeutlichen, muss ich einmal etwas ausholen:
Ganz nüchtern betrachtet, können wir einen Baum in zwei unterschiedliche Teile unterteilen:
Den oberirdischen Baum mit Stamm und Krone und den unterirdischen Baum mit seinen Wurzeln.
Dabei ist im günstigsten Fall der unterirdische Baum eben so groß, wie der oberirdische Baum. Das heißt, das, was wir sehen können, nämlich Krone und Stamm befindet sich für uns nicht sichtbar nochmal unter der Erde. Zwar in etwas anderer Form, aber von der Masse her sehr ähnlich.
Ein Baum hat genauso viele Wurzeln, wie nötig sind, um seine Krone mit Wasser und Mineralien zu versorgen.
Ein Baum hat genau so viele Wurzel, wie er braucht, um sich fest im Boden zu verankern und um Stürmen stand halten zu können.
Ebenso hat ein Baum exakt so viel Blattmasse, um sich mit Zuckerstoffen, Fetten und Eiweißen zu versorgen. In der Fachwelt hat man hierfür ein schönen Begriff:
Axiom der konstanten Spannung
Diesen Begriff musst du dir nicht merken. Was du dir aber merken darfst ist, dass ein gesunder Baum immer genau so wächst, wie es die Einflüsse von außen und die Umstände erfordern.
Das heißt, ein gesunder Baum wächst immer genau so hoch, so breit, so tief, so gerade oder so schief und so schnell, wie es für ihn gerade erforderlich ist. Niemals unnütz.
Würde ein Baum seine Krone schneller wachsen lassen als seine Wurzeln, würde er beim nächsten Sturm umfallen. Ließe er alle Energie in seine Wurzeln fließen, stände er zwar sehr stabil, er könnte mit seiner zu kleinen Krone und der zu geringen Blattmasse nicht ausreichend Photosynthese (dazu nachher mehr) betreiben und dadurch seine Wurzeln nicht ausreichend versorgen. Teile seiner Wurzeln würden absterben, Pilze und Bakterien könnten in die Wunden eindringen und den Baum weiter schwächen.
Du siehst, ein Baum ist aus guten Gründen bestrebt, alles im Gleichgewicht zu halten.
Axiom der konstanten Spannung.
Zusammengefasst lässt sich also sagen: Ein Baum funktioniert, indem er für sein eigenes Gleichgewicht sorgt. Die Wurzel verankern sich im Boden und sorgen für Wasser und Mineralien. Der Stamm trägt die Krone in Richtung Sonnenlicht und leitet die Flüssigkeiten von der Wurzel zur Krone. In der Krone betreiben die Blätter Photosynthese, wofür sie das Wasser der Wurzeln benötigen. Bei der Photosynthese entstehen Zuckerstoffe, Fette und Eiweiße, die der ganze Baum zum Wachsen braucht. Diese Stoffe werden in alle Bereiche des Baumes geleitet und auch wieder durch den Stamm bis nach ganz unten zu den Wurzeln.
Dabei wächst der Baum exakt so viel in die Höhe, in die Breite und in die Tiefe, wie es richtig ist für ihn.
Bei all diesen Vorgängen spielen für jeden Baum individuell die äußeren Umstände eine große Rolle.
Die unterschiedlichen Bodenverhältnisse, die Windverhältnisse, ob der Baum in einer Hanglage oder einer Ebene steht, die Sonnenintensität, die Regenverhältnisse und nicht zuletzt die klimatischen Bedingungen wirken auf jeden Baum ganz unterschiedlich ein. Daher wächst auch jeder Baum anders. Kein Baum gleicht einem anderen. Nicht mal in einer Plantage.
Die Kelten verehrten ihre Bäume sehr. Sie hatten sogar heilige Bäume. Ich finde, die Kelten haben in vielen ihrer Darstellungen dieses Gleichgewicht, das „Axiom konstanter Spannung“, den oberirdischen und unterirdischen Baum sehr gut dargestellt.
Ein Bild sagt eben doch mehr als tausend Worte.
So. Nun aber wieder zurück zu Annette Bernjus´ Baum:
Dieser Baum konnte aus Gründen, die ich anhand der Fotos nicht genau erkennen kann, nicht genug Photosynthese betreiben. Immer wenn das passiert werden die sogenannten „schlafenden Augen“ aktiviert. Die „schlafenden Augen“ sind Zellen, die jeder Baum als Notprogramm in seiner Rinde vorhält, um für solche Notfälle vorzusorgen. Schließlich kann er nicht in kürzester Zeit eine neue Krone wachsen lassen. Aber aus diesen „schlafenden Augen“ wachsen ziemlich schnell diese „Nottriebe“. Das ist auch gut so, denn der Verlust der Blattmasse muss rasch ausgeglichen werden. Schneller als die Vorräte verbraucht sind. Kann sich der Baum nach ein paar Jahren wieder normal versorgen, sterben diese „Nottriebe“ wieder ab. Er benötigt sie nicht mehr und sie verkümmern.
Schwächelt ein Baum aber sein Leben lang, weil er z.B. im Schatten der anderen Bäume steht, wird dieses Notprogramm immer und immer wieder aktiviert. „Nottriebe“ sprießen und verkümmern. Immer und immer wieder. Dann entstehen diese Knubbel und Wulste und dann sieht ein Baum eben so aus, wie auf den Bildern von Annette Bernjus.
Verschiedene Baumarten haben auch verschiedene Strategien. Die Lichtbaumart Lärche möchte z. B. dem Unkraut schnell entwachsen und bildet deswegen in der Jugend ein zu schwaches Wurzelwerk aus. Deswegen werden Lärchen in der Jugend oft vom Wind geneigt, Sie wachsen dann in einer Kurve wieder nach oben. Das nennt man Säbelwüchsigkeit. Im Gegensatz dazu brauchen Tannen in ihrer Jugend den Schutz eines Altbestandes, weil es sie dann vor Spätfrösten geschützt sind. Deswegen sind sie sehr Halbschattenverträglich. So hat jede Baumart ihre völlig unterschiedlichen Eigenschaften.
Hallo Franz. Vielen Dank für deinen Hinweis. Liebe Grüße Klaus
Danke für deine Ausführungen hier. Liebe Grüße Klaus
Ja genau. Vielen Dank für deine Infos. Liebe Grüße Klaus